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Richtig gendern: geschlechtergerechte Sprache, Teil 1

Personen, die miteinander sprechen

Richtig gendern, aber wie? Und welche Variante der geschlechtergerechten Sprache ist die beste? Gleich vorweg: Die perfekte Variante gibt es nicht. Im ersten Teil dieser zweiteiligen Analyse gehen wir näher auf die Anforderungen aus sprachlicher Sicht ein – und auf populäre Varianten, die diesen Anforderungen nicht gerecht werden.

Die sprachliche Gleichbehandlung von Frauen und Männern – und darüber hinaus von Menschen, die sich keinem der beiden biologischen Geschlechter zugehörig fühlen – wurde während der letzten Jahre zum Politikum erhoben. Dabei hat sich gezeigt, dass es keine Lösung gibt, die alle glücklich macht. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Lösung auch den offiziellen sprachlichen Anforderungen genügen sollte.

Der erste Blogbeitrag geht auf diese Anforderungen ein und erklärt, warum einige der populärsten Varianten sich nicht als generelle Lösungen eignen. Der zweite Teil offeriert Varianten, die im Alltag funktionieren – und darüber hinaus regelkonform sind.

Anforderungen an geschlechtergerechte Sprache

In seiner Pressemitteilung von Mitte Dezember 2023 hat der Rat für deutsche Rechtschreibung seine Haltung bekräftigt, «dass allen Menschen mit geschlechtergerechter Sprache begegnet werden soll und sie sensibel angesprochen werden sollen.» Dies, so der Rat für deutsche Rechtschreibung, sei jedoch eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein mit orthografischen Regeln und Änderungen der Rechtschreibung gelöst werden könne. Was die sprachliche Praxis anbelangt, so zählt der Rat für deutsche Rechtschreibung die folgenden Kriterien auf, die es mit Blick auf geschlechtergerechte Sprache zu beachten gilt.

Geschlechtergerechte Texte sollen:

  • sachlich korrekt sein,
  • verständlich und lesbar sein,
  • vorlesbar sein (mit Blick auf die Altersentwicklung der Bevölkerung und die Tendenz in den Medien, Texte in vorlesbarer Form zur Verfügung zu stellen),
  • Rechtssicherheit und Eindeutigkeit gewährleisten, übertragbar sein im Hinblick auf deutschsprachige Länder mit mehreren Amts- und Minderheitensprachen (Schweiz, Bozen-Südtirol, Ostbelgien; aber für regionale Amts- und Minderheitensprachen auch Österreich und Deutschland),
  • für die Lesenden bzw. Hörenden die Möglichkeit zur Konzentration auf die wesentlichen Sachverhalte und Kerninformationen sicherstellen.

Ausserdem betont der Rat, dass geschlechtergerechte Schreibung nicht das Erlernen der geschriebenen deutschen Sprache erschweren darf (Lernbarkeit).

Das generische Maskulinum

Bei dieser Variante werden ausschliesslich männliche Personenbezeichnungen (Mitarbeiter, Ingenieur usw.) verwendet, jedoch sind jeweils auch die weiblichen Personenbezeichnungen mitgemeint. Wird also von Arbeitern gesprochen, dann sind auch Arbeiterinnen gemeint.

Diese Variante punktet mit Kürze – speziell, wenn viele Berufsbezeichnungen vorkommen. In den meisten Fällen besticht sie auch durch Klarheit, weswegen sie teilweise noch in eher komplexen Texten, beispielsweise juristischen, anzutreffen ist. Auch in der Umgangssprache und in informellen Texten wird das generische Maskulinum gerne verwendet.
Was die Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Sprache anbelangt, so schneidet das generische Maskulinum zweifellos schlecht ab; es wird deshalb weitgehend abgelehnt. Auch kann die (zu) konsequente Verwendung dieser Variante zu verwirrenden Rückbezügen führen: Wir haben gestern mit drei Studenten gesprochen. Einer war eine Frau mittleren Alters.

Genderstern und Co.

Neben dem Genderstern – eigentlich «Asterisk» – kommen auch andere Varianten zum Zug, nämlich der Unterstrich (Leser_innen) und der Doppelpunkt (Leser:innen). Ihr Ziel: nicht nur Männer und Frauen einzuschliessen, sondern auch diejenigen Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zugehörig fühlen.

Da diese Varianten aus sprachlicher Sicht abgelehnt werden, gibt es keine offiziellen Regeln, was ihre Verwendung betrifft. Was sich während der letzten Jahre durchgesetzt hat: Die männliche Form wird zugunsten der Leserlichkeit weitgehend ignoriert (den Mieter*innen statt den Mietern*innen).

Diese Varianten bezwecken eine fast vollständige – wenn nicht sogar absolute – sprachliche Gleichstellung aller Geschlechter. Dies ist in der deutschen Sprache jedoch schlichtweg nicht möglich. So gibt es zahlreiche Fälle, auf die diese Varianten keine Antwort haben: Ausnahmefälle, die den Wortstamm betreffen (der*die Arzt*in oder der*die Ärzt*in?), Ableitungen (göttinlich statt göttlich?) und Fälle wie jedermann (jederfrau?) oder Hampelmann (Hampelfrau?).

Viele dieser ungelösten Fälle werden umgangen, indem Sammelbezeichnungen verwendet (Ärzteschaft) oder Begriffe vermieden werden (alle statt jedermann). Was jedoch nicht vermieden werden kann, sind Probleme mit der Einheitlichkeit, der Rechtssicherheit, der Verständlichkeit und der Klarheit. Dies sind einige der Gründe, warum Genderstern und Co. von den sprachlichen Instanzen, unter anderem dem Rat für deutsche Rechtschreibung, nach wie vor nicht akzeptiert werden – trotz politischem Druck.

Gross-I-Schreibung und Schrägstrich-Variante

Zwei weitere Varianten sind es wert, erwähnt zu werden. Eine davon ist die Gross-I-Variante (MitarbeiterInnen, einE guteR SchreiberIn). Hier ist augenfällig, dass diese Variante nicht nur elementare Sprachregeln, sondern auch die Gebote der Verständlichkeit verletzt. Hinzu kommt, dass die männliche Endung in gewissen Beugungsfällen vernachlässigt bzw. hinzugedacht werden muss.

Die zweite Variante, die Schrägstrich-Variante, trennt den Wortstamm und die Endung der weiblichen Personenbezeichnung (Mitarbeiter/innen, ein/e gute/r Schreiber/in). Auch bei dieser Variante entfällt die männliche Endung in gewissen Beugungsfällen. Es handelt sich bei ihr um eine sprachlich falsche Alternative der Schrägstrich-Divis-Variante, die im zweiten Teil aufgegriffen wird.

Sprachlich richtig gendern

Bisher wurden mehr oder weniger gängige Varianten besprochen, die nicht mehr zeitgemäss sind und/oder die Regeln der deutschen Sprache verletzen. Sie fragen sich an dieser Stelle wahrscheinlich, welche Varianten sprachlich akzeptiert, auf der Höhe der Zeit und einfach anwendbar sind. Keine Sorge: Der zweite Teil dieses Blogbeitrags behandelt genau diese Frage.

Quellen

Rat für deutsche Rechtschreibung: Geschlechtergerechte Schreibung: Erläuterungen, Begründung und Kriterien vom 15.12.2023. 2023, https://www.rechtschreibrat.com/geschlechtergerechte-schreibung-erlaeuterungen-begruendung-und-kriterien-vom-15-12-2023/ (22.1.2024).

Heuer, Walter et al. (2013): Richtiges Deutsch. Vollständige Grammatik und Rechtschreiblehre. 30., überarbeitete Auflage, Zürich, Verlag Neue Zürcher Zeitung.

Mackowiak, Klaus (o. J.): Die 101 häufigsten Fehler im Deutschen. München, Verlag C. H. Beck.